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Brennpunkt Waldameisenhügel

Bitte draußen bleiben! Wir Waldameisen schätzen es gar nicht, wenn jemand ungebeten in unsere Behausung eindringt.

Wir kleinen Krabbler sind von höchster ökologischer Bedeutung im Wald. Wir gehören wie Bienen zu den staatenbildenden Insekten und je nach Art bauen wir solitäre Nester (Hügel) oder bilden Kolonien aus vielen mehrere Meter weit voneinander entfernten Nestern (Hügeln). 
Wir Waldameisen tragen nicht nur zur Bodenverbesserung und zur Verbreitung von Samen bei, sondern wir stellen auch eine wichtige Nahrungsquelle für andere Tierarten wie Spechte oder Auerhühner dar. Nicht zuletzt werden unsere Ameisenhügel von einigen Tieren als Spa missbraucht, indem sie Bäder im Haufen nehmen und die von uns wehrhaften Hausbesitzern zur Verteidigung verspritzte Ameisensäure zur Gefieder- oder Fellpflege nutzen.
Wir Waldameisen sind geschickte Jäger, die sich von Würmern, Spinnen, Insekten und gelegentlich auch von Aas ernähren und die durch ihr Beutespektrum eine wesentliche Rolle bei der biologischen Schädlingsbekämpfung spielen. Unser Beutezug führt uns bis hoch hinauf zu den Baumwipfeln. Daneben nutzen wir unsere guten Kontakte zu Honigtauerzeugern, die wir quasi als Energielieferanten aufsuchen. Der Ertrag an Waldhonig ist dort, wo es Hügel bauende Waldameisen gibt, höher als in Wäldern ohne uns. Einige Pflanzen machen sich für die Verbreitung ihrer Samen unseren Aktionsradius zunutze. Wir heimischen Hügel bauenden Waldameisen können zwar keine Samen fressen und verdauen, aber wir schätzen die eiweiß-, fett- und zuckerreichen Anhängsel (Elaiosomen) bestimmter Pflanzensamen, die wir deshalb gerne mitnehmen und auf diesem Weg verbreiten.
Zahlreiche Insekten, die unter "Forstschädlinge" gelistet sind, können von uns Waldameisen sehr gut in Schach gehalten werden. So können wir zum Beispiel täglich tausende Spanner-, Nonnen- und Eulenraupen in ein einziges Ameisennest verbringen. Wichtig ist, dass der Waldbau den Erhalt und die Ansiedlung von Waldameisenvölkern vorausschauend fördert, weil er sich damit unserer Schutzleistungen bedienen kann, noch bevor Schädlingskalamitäten entstehen. Ziel der biologischen Schädlingsbekämpfung ist generell nicht die Auslöschung von Schädlingen, weil dadurch gleichzeitig auch die Nahrung für die Nützlinge verloren ginge. Ziel ist vielmehr, ein tragbares Gleichgewicht zu erreichen. Wichtig ist, die Bedürfnisse von uns Waldameisen bei der forstlichen Planung ausreichend zu berücksichtigen und zum Beispiel für passende Bodenlichtverhältnisse zu sorgen und bei der Holzernte und beim Wegebau ganz besondere Rücksicht auf bestehende Ameisenhügel zu nehmen und uns pfleglich zu behandeln.
Die Form unserer Hügel kann stark variieren, weil Licht und Sonneneinstrahlung direkte Auswirkungen auf die Bauweise haben. Einerseits darf sich das Innere nicht überhitzen, andererseits sind wir insbesondere nach dem Winter auf Wärme angewiesen.
Unsere Ameisenhügel sind -wie Eisberge- nur der kleinste und sichtbare Teil der gesamten Wohnanlage. Der weitaus größere Teil, das Erdnest, befindet sich unter der Erde und er hat einen viel größeren Durchmesser als die Basis des sichtbaren Hügels. Wenn ihr also an einen Hügel herangeht, seid ihr uns bereits „aufs Dach getreten“.
Der Hügel erscheint euch vielleicht wie ein unordentlicher Haufen von Bodenmaterial und Nadeln, und doch ist alles genau geplant an seinem Platz. Pflanzenmaterial und Erde werden herangetragen, aufgeschichtet und so verbunden, dass die Nestkuppel einerseits stabil Wind und Wetter trotzen kann und andererseits durch ein ausgeklügeltes Gangsystem gut belüftet und feuchtigkeitsreguliert wird. Am Hügel wird ständig gebaut und umgeschichtet, weil das verwendete Pflanzenmaterial sonst innerhalb kurzer Zeit verrotten würde. Als besonderen Schutz gegen Verwitterung setzen wir Säure ein, die wir verspritzen. Diese Ameisensäure hemmt die Aktivität von Bakterien, die das Baumaterial zu schnell zersetzen würden. Eine intakte Nestkuppel ist der beste Schutz für das Nestinnere, wo sich die Brut und damit die Zukunft unseres Volks befindet. 
Wir Ameisen verfügen über leistungsstarke Sinnesorgane, weil wir uns nicht nur „über Tage“ bewegen, sondern auch im Dunkel des Inneren zurechtfinden müssen. Mit unseren Antennen können wir tasten, schmecken, riechen, die Luftqualität sowie die Temperatur im Nest messen und wir können mittels Antennen mit unseren Artgenossen kommunizieren. Wir sind in der Lage, Schwerkraft wahrzunehmen und wir können mit unseren Antennen Gangweiten ausloten. Die Weite der Gänge variiert je nachdem, ob es sich um einen Verbindungsgang von außen nach innen oder um einen Verbindungsgang innerhalb der Nestkammern handelt. Nachdem in den Gängen reger Verkehr herrscht, müssen wir einander auch im Dunkel ausweichen können.
Für euch schauen alle Waldameisen, die sich am und um den Hügel tummeln, gleich aus. In gewisser Weise stimmt das auch, weil ihr von da aus, wo ihr auf den Ameisenhügel schaut, nur die Arbeiterinnen seht. Sie müssen wie Rädchen bei einem komplizierten Uhrwerk perfekt ineinandergreifen. Als Voraussetzung dafür sind sie körperlich gleich gebaut und die neuronalen Strukturen mit Sozialfokus sind bei ihnen viel besser ausgebildet als bei unserer Königin. Letztere hat ihrer Aufgabe als Nachwuchsproduzentin geschuldet einen riesigen Hinterleib. Unter den Arbeiterinnen gibt es wiederum Gestaltunterschiede, die sich aus der Aufgabe ergeben, die der Arbeiterin zugeteilt ist. Eine Arbeiterin, die „am Bau“ arbeitet, schaut anders aus als eine Kollegin von der „schnellen Eingreiftruppe“, also eine Wachameise, die vorwiegend für die Verteidigung des Nests eingesetzt ist. Wo eure Soldaten einen Helm tragen, haben unsere Soldatinnen größere Köpfe mit größeren Beißwerkzeugen.
Wir Ameisen gehören zu den Hautflüglern und wir durchlaufen in unserer Entwicklung eine vollständige Metamorphose (Verwandlung). Das gilt für weibliche und männliche Nachkommen. Unsere Königin legt weichhäutige Eier, in denen sich Larven entwickeln. Diese verpuppen sich am Ende des Larvenstadiums und verwandeln sich in ihrem Kokon zur fertigen Ameise. Wie bei den Bienen entstehen aus befruchteten Eiern Weibchen und aus unbefruchteten Eiern Männchen.
Wenn ein Ameisenvolk nur eine Königin hat (z.B. Formica rufa), produziert diese mehr Nachkommen als Königinnen in Völkern mit vielen Königinnen (z.B. Formica polyctena).
Unsere Ameisennester sind grundsätzlich auf Dauerhaftigkeit ausgelegt und wir Hügel bauende Waldameisen stehen unter strengem Naturschutz. Wenn sich die Umgebung für uns ungünstig entwickelt, ziehen wir im besten Fall, wenn unser Volk stark genug ist, mit Sack und Pack weiter. Wenn unser Volk zu geschwächt ist, haben wir leider keine Zukunft.
Manchmal kommt es vor, dass wir im Bereich von geplanten Forststraßen leben oder dass wir uns unmittelbar an Holzhütten, Geräteschuppen oder gar im Bereich nicht ordentlich verfugter Vorratskammern angesiedelt haben und dort nicht bleiben können.
Nehmt in diesen Fällen unbedingt Kontakt mit der Landesgeschäftsstelle auf, denn Manipulationen am Nest durch nicht dazu befugte Personen stehen unter Strafe. Aber keine Sorge, ein/-e Ameisenheger/-in hilft gerne, kostenlos und unbürokratisch weiter. Er/Sie siedelt das Nest in der dafür geeigneten Zeit um und berät bei den weiterführenden Maßnahmen. Ihr könnt selbst einen Beitrag zur rascheren Umsiedelung leisten, indem ihr euch bereits im Herbst für die Umsiedelung anmeldet und vorab einen neuen Platz für das Nest sucht, der in der Höhenlage, Exposition und Umgebungsvegetation dem alten Standort ähnlich ist.
Hier gibt´s den Text zum Download.

 

 

 

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